Ordnung ist nicht immer das halbe Leben

Ordnung ist ein Vorteil, der vielen Menschen hilft. Die Welt wird klarer. Es ist weniger Energie zur Orientierung nötig. Das gibt Sicherheit und Ruhe.

Viele Menschen kommen aber mit ein wenig Unordnung gut klar. Es lohnt sich nicht, alles und jedes zu sortieren. Schnell ist sonst der Aufwand für die Ordnung größer als der Nutzen.

Aber bitte nicht nur die Zeit zum Suchen als Maßstab nehmen. Stell Dir den Druck vor, wenn wichtige Unterlagen weg. Oder der Schlüssel genau dann verschwunden ist, wenn die Kinder zur Schule müssen. Da geht wertvolle Lebensenergie verloren.

Autisten haben übrigens einen grundsätzlich höheren Stresslevel. Das hat verschiedene Gründe, die ich hier nur kurz andeute:  Empfindlichkeiten zu Sinneseindrücken und Emotionen, soziale Konflikte aufgrund der extrem rationalen Wahrnehmung, schlechtere non-verbale Fähigkeiten, ständige aktive Verhaltensanpassung an Umweltbedingungen. Und noch ein paar Features, aber der Punkt ist deutlich geworden.

Also zusammengefasst: Als Autist ist Dauerstress und Anspannung normal. Entsprechend groß ist das Bedürfnis nach Ruhe, Ausgleich und - na klar - Ordnung und Sicherheit.

Dein Ordnungssinn ist eine Stärke


Und mit diesem Bedarf lohnt sich einfach, mehr Ordnung zu halten als es andere Menschen machen würden. Das ist nicht besser, nur anders.

Und es trainiert die Fähigkeit, Strukturen zu erkennen. Zusammenhänge und Abhängigkeiten sind für viele autistisch veranlagte Menschen sehr leicht zu erkennen. Für die Autisten ist es ein normale Sichtweise. Es wird Dir selbst nicht auffallen. Aber vielleicht haben Andere Dich schon mal gelobt, oder auch mal den Kopf geschüttelt, wie ordentlich bestimmte Dinge bei Dir sind?

Das Gewürzregal? Der Bücher- oder Spieleschrank?

Diese Stärke ist etwas Besonderes und Du kannst sie im Alltag nutzen!

  • Deine Küche ist super sortiert. Selbst wenn es mal schnell gehen muss, findest Du Dein Equipment ohne hinzusehen. Kochen ist für Dich ganz easy!
  • Beim Job hast Du haufenweise Dateien, Mails, Chats und Termine. Du legst nicht alles in einzelne Ordner, die nach einem Jahr nicht mehr passen. Du hast ein System. Du hast passende Verwaltungssoftware am Start. Auch unter Zeitdruck alles im Griff.
  • Du kannst morgens in wenigen Minuten das Haus verlassen. Alle Deine Sachen, die Du unterwegs benötigst, liegen immer an denselben Stellen. Du könntest sogar bei Feueralarm mit gepackter Tasche aus dem Haus gehen.

Natürlich sind das nur kleine Beispiele. Aber vielleicht fallen Dir andere Sachen ein, wo Du sehr gut sortiert bist. Das macht Dein Leben etwas einfacher. Und es ist eine Stärke, die viele andere Menschen nicht haben.

Deine Stärke nutzt auch an ungewöhnlichen Orten


Und wenn Du Brettspiele magst, dann hat das bestimmt einen Grund:

  • Das ganze Material ist oft in Reihen und Spalten sortiert. Das erleichtert die Orientierung für die Spielerinnen und Spieler am Tisch. Manche müssen ja die Symbole auch verkehrt herum noch erkennen können.
  • Doch Du hast einen besonderen Blick für Strukturen. Dir fällt es schneller auf, dass die wertvollen Zahlenfelder in bestimmten Ecken des Brettes zu finden sind.
  • Dir fällt es leichter, bestimmte Sets aus Symbolen zu sammeln. Du erkennst sofort, wenn auf dem Tabletop-Game bestimmte Einheiten drohen, in Schussreichweite zu geraten.

Die spielst keine Brettspiele? Dann hast Du vielleicht bisher die falschen Spiele gesehen. Vielleicht könnte Dir „Boardgaming“ Spass machen?

Was nimmst Du für Dich mit?


Das alles ist nicht spielentscheidend.

Und gerade deswegen möchte ich erreichen, dass Du Deine Stärke nicht kleinredest. Nicht marginalisierst. Menschen mit mehr oder weniger stark vorhandenen autistischen Zügen sind sich ihres Ordnungsblick oft nicht bewusst. Oder nutzen ihn nicht als Stärke.

Aber ich erinnere daran: Es ist eine ungewöhnliche Fähigkeit. Eine Superpower.

Alles Gute!
Nils